von Roman Spieß und Sascha A. Zaitseva
Traginervische Geschichten ist eine Arbeit, die stark von Michail Bulgakows
Meister und Margarita inspiriert ist. Auf den 21 Armen des keramischen Leuchters spielt sich ein Fest ab; der Gastgeber ist der teuflische Wolland, eine Figur aus dem Roman. Einzig, die Szenerie spielt sich, nicht wie bei Bulgakow, in Moskau sondern in Wien ab, und die eingeladenen Personen sind von Romaschka (Roman Spieß und Sascha A. Zatseva) frei erwählt.
Der zylindrische Mittelteil des Lusters, auf welchem die Arme fixiert sind, ist voll mit Wiener Szenerien bespielt. Wenn man genauer hinsieht, entdeckt man eine „Prater-Sensation“, die Venediger Au oder fingernagelgroße Wiener und Wienerinnen. Der Zylinder ist wie ein Liftschacht, durch den man auf die drei Ebenen des Leuchters gelangen kann.
Auf der mittleren Ebene spielt sich das Fest ab, dessen Patrone der russische Sänger Viktor Tsoy, François Villon und Bacchus sind. Ihre Köpfe tauchen wie Gallionsfiguren auf den Rosetten der Arme auf. Unter den Eingeladenen finden sich die unterschiedlichsten Charaktere. Die treuen Begleiter des Wollands, der Kater Begemot und die schöne Gella verlassen kurz die Seiten des Romans Meister und Margarita, um auf dem Leuchter Unfug zu treiben.
Auf der oberen Etage sieht man die Ehrengäste: Toulouse-Lautrec und Daniil Charms haben endlich die Möglichkeit sich kennenzulernen, reiten nebeneinander her und scheinen sich zu unterhalten. Die Wiener Barockmalerin Raja Schwahn-Reichmann befindet sich auf einem Balkönchen, mit Tiepolo Wein trinkend. Die russische Künstlerin Nata Konischewa, natürlich mit einem Bleistift in der Hand, versucht das Geschehen zeichnend festzuhalten. Ilf und Petrow sitzen an einem Tisch gegenüber den Romaschkas. Das Gesprochene kann man direkt von der Tischdecke ablesen. Auch Michail Bulgakow sieht man samt seinem Krankenbett beim Fest, begleitet von der dreigesichtigen Margarita – ihre Figur vereint die drei Frauen des Schriftstellers.
Die untere Etage des Leuchters steht ganz im Zeichen der Taube. Als meist verachteter Vogel Wiens („Wer die Tauben füttert, füttert Ratten!“) wird er heiß geliebt von einsamen, alten Menschen. In dieser Geschichte nimmt die Taube als heiliger wie verschrieener, absurder wie anarchistischer Vorbote eines Wunders teil. Auch das Gasthaus Zum Sieg und das verruchte Mietshaus in der Zwerggasse bekommen Platz auf einem eigenen Leuchtarm.
Im obersten Stock ist Wollands Loge. Zu Füßen des großzügigen Gastgebers sitzt die nackte Gella, auf der linken Seite der Kater Begemot. In seiner Hand hält Wolland eine Karte: Es ist die Herz Neun – die Karte der zarten Liebe.
Sascha A. Zaitseva
Sommer 2007